Sonntag, 26. April 2015

Was Tabaluga und den Krebs unterscheidet!



Der erste Therapieabschnitt ist geschafft, am 2. April hatte ich die letzte Chemo! Das ist jetzt drei Wochen her und ich hatte danach viele Untersuchungen, angefangen von endloser Blutabnehmerei, über den Kardiologen, die Mammographie, Thorax röntgen und Gespräche. Mein OP-Termin ist am 5.5.15 – wenn das kein Glücksdatum ist! Ich freue mich sehr auf diesen Tag und bin glücklich, dass dann Schritt II überstanden ist.



Die letzte Chemo hat es mir nochmal so richtig gezeigt! Aber – ich habe mich nicht unterkriegen lassen, ich habe mich gesträubt und es mir trotzdem schön gemacht. Es ist April und der Mai steht quasi schon vor der Tür, wer lässt sich da von Übelkeit und Kopfschmerzen, Schlappheit, Konzentrationsschwäche und Antriebslosigkeit unterkriegen, doch wohl keiner – und ich schon gar nicht (oder manchmal doch?), nein, ich bin damit durch!



Grübeleien, warum-wieso-weshalb, Zukunftsängste und was-hat-mir-das-jetzt-gebracht? gab es natürlich auch, und wenn ich ehrlich bin, ganz schön häufig. Dunkle und schwere Gedanken, sie kommen, aber sie gehen auch wieder. Ich geben diesen Gedanken Raum, aber nur eine ganz konkrete Zeit, sie beherrschen mich nicht, ich steuere meine Gedanken und lass sie kreativ werden, alles andere ist Mist!



Die neuesten Erkenntnisse der Forschung: Krebs ist nur Zufall, jeden kann es erwischen… Ja, das klingt gut – oder eben auch nicht. Ich bin überzeugt, dass sich in so einer Situation viele Menschen fragen, was dieser Schicksalsschlag, diese Krankheit oder was einem auch immer passiert, was das für den Einzelnen bedeutet. Eine Krebserkrankung bedeutet für jeden (den ich bisher gesprochen habe), dass sich die Tür zum Tod zumindest ein bisschen öffnet. Da ist eine Tür, die vorher noch nicht da war und sie steht ein kleines bisschen offen!



Keiner will diese Tür sehen, dahinter ist es schwarz und zwischen mir und der Tür stehen eine Unmenge von offenen Fragen und Wünschen.

Auf einmal ist das Leben endlich und es beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Für mich ist es so, als ob ich ein zweites Mal erwachsen werde, sozusagen Pubertät mit 50!



Ich höre immer wieder Geschichten, wie, die Krankheit hat mein Leben verändert, dadurch habe ich erst zu mir selbst gefunden! Bestimmt ist es so oder ähnlich. Fakt ist, dass die Menschen sich durch die schicksalhafte oder zufällige (das will ich mal dahingestellt sein lassen) Lebensveränderung selbst verändern, sich in Frage stellen und ihr Lebenskonzept neu beschließen oder es überhaupt erst erstellen.



Ich für mich merke, dass ich leichter geworden bin (und hiermit meine ich nicht mein Gewicht, wobei ich tatsächlich 5 kg abgenommen habe). Nein, leichter geworden in dem Sinne, dass ich meinen vergangenen Ballast abwerfe, das ist ein großer Prozess, der größte wahrscheinlich.



Ein halbes Jahr nach der Diagnose bin ich Ende Dezember mit Sina und Jona in eine kleinere Wohnung umgezogen. Dafür habe ich etwa 500 Bücher aussortiert (warum brauche ich Bücher übers Mittelalter?), ich habe sie entsorgt, weggeben, verschenkt und teilweise (die schönen Kinderbücher) in Kartons verpackt und auch die meisten davon weggeben… 




Nun steht ein winzig kleiner Rest in meinem neuen Zimmer. In dem Regal ist jetzt sogar Platz für meine Ordner und natürlich für neue und aktuelle Bücher. Ich werde sie nicht mehr sammeln, ich lese sie und gebe sie weiter. Ein bisschen Lieblingsliteratur hebe ich auf, manchmal macht es Spaß, da seine Nase nochmal reinzustecken und sich zu inspirieren. Wie beispielsweise „Die 7 Wege zur Effektivität“ – mein absolutes Lieblingsbuch!




 
Wohingegen dieses hier sich nur versehentlich in mein Regal verirrt haben kann:


(wahrscheinlich von Nico, meins ist es definitiv nicht!).




Außerdem habe ich dreiviertel meines Kleiderschrankes aussortiert und zu Oxfam gefahren. Darüber hinaus habe ich meine Kisten und Kästchen ausgeleert, Erinnerungen, Briefe, Zettelchen, Zeitungsausschnitte, etc. Diese Sammlungen, die sich wahrscheinlich in jedem Haushalt in größerer oder kleinerer Menge befinden, habe ich erbarmungslos reduziert.

Diese ganze Altlastenverwertung spiegelt nur den äußeren Prozess wider, der innere ist ähnlich… Auch hier sortiere ich aus und bringe die Gedanken sinnbildlich zum „Wertstoffhof“.



Dieses Ausmisten kann natürlich auch ohne einen konkreten Anlass stattfinden, dazu ist bestimmt keine Krankheit notwendig, aber sie ist eben ein guter Anlass.



Man kann sein Leben jeden Tag verändern, dazu bedarf es nur einer Entscheidung. Wird keine Entscheidung getroffen, ergibt sich häufig eine Zwangsentscheidung, das Leben, Schicksal, Universum, Krebs, unsere Entscheidungslosigkeit, wer auch immer… zwingt uns dazu. Viellicht hätte man dem zuvor kommen können, vielleicht nicht.



Wichtig ist nur, dass wir diesen Prozess regelmäßig angehen und keinesfalls nur so vor uns hinleben, dann dafür ist die Lebenszeit definitiv zu kostbar!  Jeder Tag kann ein Entscheidungstag sein, wir entscheiden, was wir denken und wie wir handeln und entscheiden damit auch, welche Konsequenzen das für uns hat. Was auch immer passiert, ich habe die Möglichkeit eine Entscheidung zu treffen, und wenn ich mich nicht entscheide, ist auch dies eine Entscheidung, ich tue nichts, also bleibt alles so wie es ist. Oder ich wähle eine aus 1 Million Möglichkeiten und nehme mein Leben in die Hand.



Ich habe ausgemistet und ich bin teilweise immer noch dabei. Deshalb fühle ich mich leichter und ich habe viel über Entscheidungen und Verantwortung nachgedacht. Für meine Entscheidungen bin ich verantwortlich und ich trage die Konsequenzen. Und genau das bedeutet es, erwachsen zu werden.



Ich fühle mich groß, ich fühle mich leicht und ich fühle mich unbeschwert! Ich bin unglaublich glücklich dabei und das trotz dieser schwierigen und nervigen Krebskrankheit! Es ist nicht so, dass ich bisher keine Entscheidungen getroffen habe, aber ich gehe das Leben jetzt noch viel bewusster an.



Und was hat jetzt das Ganze mit Tagaluga zu tun? Peter Maffay hat 1983 (da war ich 19) ein Lied gesungen, in dem es um das Erwachsenwerden ging. Die alte weise Schildkröte Nessaja erzählt dem kleinen Drachen Tabaluga ihre Geschichte und warum sie nie erwachsen werden wollte… das Lied kam mir vor ein paar Tagen in den Sinn und wie das so mit Musik ist, weckt sie alte Erinnerungen:

Hier ist der Songtext.



Allerdings bin ich weder eine alte Schildkröte, noch ein junger Drache, viel eher bin ich ein Elch! Und Elche sind Herdentiere mit einer wunderbaren Herde und ein stattlicher Rudelführerelch, wie ich einer bin, der darf ruhig zweimal erwachsen werden. 




Diesmal ist dieser Prozess ein anderer, ich werde nicht erwachsen, weil ich kein Kind mehr bin, sondern ich entscheide, wie ich lebe und ich kann dabei täglich die Glückseligkeit eines Kindes in mir tragen – wie schön ist das!

Donnerstag, 16. April 2015

Wie geht es dir? – eine ernst gemeinte Frage oder ist die Frage ernst gemeint



Die Frage, Wie geht es dir?, habe ich in den letzten Monaten sehr oft gehört. Und ich muss zugeben, mittlerweile stehe ich dieser Frage sehr ambivalent gegenüber.

Ich kann natürlich jeden verstehen, der fragt, wie es mir geht. Ich bin ein offener Mensch und erzähle durchaus von mir. Allerdings möchte ich die Möglichkeit haben zu entscheiden, wann ich was erzähle. Also im Klartext, ich möchte entscheiden, zu welchem Zeitpunkt ich erzähle und worüber ich berichten möchte.

Eine Freundin von mir, ich nenne sie der Einfachheit halber Vera (es gibt viele Veras), kommt in meine Wohnung und fragt sofort: „Wiie geeht es diiiiir?“ Sie hat noch nicht einmal ihre Jacke ausgezogen, noch hat sie mich richtig begrüßt, aber sie fragt, wie es mir geht. Was soll ich dazu sagen? Ich antworte also  erstmal: „Gut! und dir?“. Sie antwortet beispielsweise: „Gut!, aber wie geht es diiir?“

Ich weiß, dass diese Frage schon ernst gemeint ist, sie betont jeden Vokal und es drückt (scheinbar) Interesse aus. Aber der Zeitpunkt ist einfach falsch. Mich macht diese Frage mittlerweile sauer, denn ich finde sie ziemlich unsensibel. Denn durch den Zeitpunkt dieser Frage, nimmt der Fragesteller mir die Möglichkeit zu antworten.

Natürlich verstehe ich Vera und natürlich möchte ich ihr erzählen, wie es mir geht. Aber doch nicht gleich, wenn sie zur Tür reinkommt. In diesem Fall ist die Frage doch rhetorisch und man antwortet normalerweise mit einem einfachen „danke, gut!“, und dann ist es auch gut. Auch ich stelle diese rhetorischen Fragen, denn eigentlich sind sie höflich gemeint. Man hat sich länger nicht gesehen und fragt höflich, man ist freundlich zueinander.
Aber man erwartet zu diesem Zeitpunkt nicht, dass jemand seine Lebens-, Krankheits- oder Befindlichkeitsgeschichte auspackt. Dazu sucht man sich besser einen geeigneten Zeitpunkt. Hat jemand gerade Probleme im Job, fragt man doch auch, wie es ihm geht und erwartet nicht sofort an der Tür eine Antwort auf seine Jobsituation. Mit meinem Krebs ist das nicht anders, natürlich möchte ich drüber reden und natürlich interessiert es die Menschen, wie es mir geht!

Aber ich habe nicht nur Krebs, sondern ich bin immer noch ein Mensch mit ganz vielen Interessen, mit vier Kindern, mit Freunden, mit einer neuen Wohnung, mit zwei Hunden und vielem mehr. Es gibt einfach noch so viel mehr, über das man mit mir reden kann und für mich ist manchmal schlimm, wenn der Krebs im Vordergrund steht. Natürlich hat der Krebs in dieser Phase einen hohen Anteil in meinem Leben, denn schließlich bin ich mitten in der Therapie. Aber es gibt auch Situationen, gerade wenn ich andere Menschen treffe, da freue ich mich sehr, wenn ich den Krebs einfach mal vergessen kann, wenn er mal nicht präsent ist.

Und dann kommt Vera: „Wiie geeht es diiiiir?“
                 
Ich bin also sofort etwas angenervt und antworte mit einer neutralen Phrase. Und ich bin mir auch bewusst, dass ich Vera damit vor den Kopf stoße, denn im Grunde möchte sie am liebsten gleich wissen, wie es mir geht. Aber in dieser Situation kann und will ich nicht antworten, ich möchte lieber später dazu erzählen. Denn natürlich ist es auch so, dass ich ein großes Bedürfnis habe, über meinen Krebs zu reden.

Allerdings ist das leider nicht immer einfach, denn es gibt bei Krebs eine große Hemmschwelle. Krebs ist mit so schlimmen Ängsten verbunden, dass es vielen Menschen schwer fällt, wirklich darüber zu reden. Denn wenn man sich mit der Krankheit beschäftigt, dann muss man sich automatisch mit sich selbst auseinandersetzen. Man erkennt, wie schnell Krebs einen selber treffen und wie wenig man sich davor schützen kann. Noch gibt es keine Impfung gegen Krebs, keiner kann sich sicher sein, ob die eigenen Zellen nicht eines Tages auch verrücktspielen.

So ist das auch bei Vera. Sie möchte wissen, wie es mir geht, möchte sich aber im Grunde nicht so intensiv mit der Thematik befassen. Also sind ihre Fragen nicht sehr differenziert, ihr Interesse nicht wirklich tief. Für mich ist das unbefriedigend, denn ich kann nur über mich reden, wenn mein Gesprächspartner auch innerlich dazu bereit ist.

Wenn ich sage, dass Vera sich nicht intensiv mit der Thematik befasst, dann meine ich nicht, dass sie zum Krebsexperten werden soll. Denn dazu habe ich meine Ärzte! Nichts ist schlimmer, als selbst ernannte Experten, die zu allen etwas wissen. Aber ich möchte im Zweifel natürlich schon, dass mir mein Gesprächspartner zuhört und dass er meine Geschichte auch versteht. Eine gute Freundin von mir hat MS, also ist es doch nur natürlich, dass ich diese Krankheit einmal google und mich ein Stück weit damit beschäftige. Ein gewisses Grundwissen setze ich bei mir auch voraus, denn nur so kann es zu guten Gesprächen kommen.  

Wahrscheinlich kann jeder, der eine größere Krankheit hat, diese Situation total nachvollziehen. Vielleicht sollte die Deutsche Krebshilfe ein Kapitel darüber in ihre blauen Heftchen aufnehmen…. 

Aber Spaß beiseite, manchmal nerven mich die Veras schon sehr. Auf der anderen Seite gibt es unglaublich wunderbare Menschen, mit denen gute und intensive Gespräche möglich sind, die ich dann umso mehr genieße und wertschätze.



Freitag, 10. April 2015

Einiges über meine Onkologie-Praxis und warum die Menschen dort so toll sind



Mittlerweile ist meine erste Chemo über ein halbes Jahr her und es ist an der Zeit, viele große Lobe und auch ein wenig Kritik zu äußern. Seit sieben Monaten begleitet mich „die Praxis“ durch meine Krebszeit und ich möchte ein bisschen über meine Onko-Praxis am Pelikanplatz erzählen.

  




 

Während meiner Chemo-Therapie habe ich mich hier ganz wunderbar aufgehoben und umsorgt gefühlt. Als ich mir die Praxis angesehen habe, war mein erster Gedanke, wie einladend und behaglich es hier aussieht – und das hat sich im letzten halben Jahr auch bewahrheitet. Die Praxis ist in zwei Bereiche aufgeteilt, der vordere Bereich ist für die Arztgespräche und Untersuchungen, der hintere und ungleich wichtigere Teil, ist der Therapiebereich. Gleich vorne ist eine Kaffee- und Tee-Theke mit Keksen, kleinen Dickmachern und häufig auch Kuchen aufgebaut. In dem Raum stehen sehr gemütliche knallrote Liegesessel, die mit einer Menge Kissen und weicher Decken in einen wohligen Liegeplatz verwandelt werden. Außerdem gibt es kleine Sofas und Sessel, für diejenigen, die vielleicht eher klönen und lesen möchten. Dazu gibt es Stühle für die Begleitpersonen, jede Menge Lesematerial und dazu noch ein kleines Angebot an Perücken und Mützen für die Glatzis.



Die Praxis ist sehr groß und es werden viele Frauen parallel behandelt. Wobei es kein bisschen anonym ist, wie man jetzt vielleicht denken könnte, das Betreuungsteam ist riesig und wahnsinnig nett. Allen voran Frau Renate Hofman als betreuende Ärztin, sie hat immer ein offenes Ohr, egal welche Frage man hat: „Dann kommen Sie doch nachher geschwind in mein Büro und wir besprechen das!“ Sie ist der personifizierte Mutmacher und ich habe mich phantastisch betreut gefühlt – Danke liebe Frau Hofmann.



Die Kontroll-Biopsie hat Herr Prof. Lück vorgenommen, auch hier ein großes Kompliment, er hat mir alles sehr ausführlich erklärt, war für alle Fragen offen und hat einen sehr freundlich und emphatischen Umgang.



Meine betreuende Ärztin, Frau Dr. Schrader hat mich für die Studie ETNA (FM-12-B01) eingetragen. Ich habe sie zwei Mal erlebt, beim Erstgespräch Ende September, bei der es primär um die Studie ging (und überhaupt nicht um mich) und ein zweites Mal Mitte Januar. Allerdings war hier leider unsere Erwartungshaltung different, sie wollte untersuchen, ich wollte reden. Frau Dr. Schrader führt Brustoperationen im Henriettenstift  durch und mag auf diesem Feld richtig gut sein, dazu kann ich nichts sagen. In der Konversation habe ich sie hingegen als wenig einfühlsam erlebt, zugegebenermaßen bei beiden Gesprächen, was sehr schade ist. Ich hatte ihr meine Erwartungshaltung klar gesagt, nämlich dass ich Redebedarf habe, sie entgegnete, dass sie keine Zeit habe und auch darauf nicht eingestellt sei. Aha! Ich hatte es vor Beginn von Phase II Frau Hofmann erzählt und sie war sehr verständnisvoll und, das hat mir sehr gefallen, Frau Schrader trotzdem loyal gegenüber. Frau Hofmann hat eine wundervolle Art mit Menschen umzugehen.



In der Praxis habe ich Frau Dr. Schrader allerdings als einzige kommunikationsscheue Ausnahme erlebt, sonst sind dort alle Mitarbeiter sehr redegewandt, ausgesprochen kompetent, freundlich und mitfühlend.



Frau Dr. Nöding habe ich leider noch nicht persönlich kennengelernt, ich sehe sie manchmal im Chemo-Bereich. Sie hat eine freundliche Ausstrahlung und zu ihr gibt es eine nette Geschichte, denn durch sie bin ich überhaupt auf die Praxis aufmerksam geworden. Meine Tochter hatte im letzten Jahr eine ungute Serie von Blasenentzündungen und wir kennen in diesem Zusammenhang jedes hannoversche Krankenhaus. An einem Wochenende sind wir in der telefonischen Notfallsprechstunde gelandet und hierüber an Frau Dr. Nöding gelangt. Das war ein ganz erstaunliches Telefonat, denn sie hat sich sehr viel Zeit für unsere Fragen genommen und wirkte sehr kompetent und konnte uns helfen. Daraufhin habe ich beschlossen, meine Gynäkologin zu wechseln und zu ihr zu gehen. Allerdings erfuhr ich dann, dass dies eine reine Onkologie-Praxis ist, was ich sehr schade fand, aber natürlich nicht so sehr. Konnte ja keiner ahnen, dass es sich ein halbes Jahr später ändern sollte…



Im Therapiebereich gibt es noch zwei weitere betreuende Ärztinnen, Frau Dr. Lück und Frau Dr. Tenge. Auch die beiden habe ich als sehr kompetent und emphatisch erlebt. Frau Dr. Tenge hat bereits beim zweiten Port anstechen bemerkt und verbalisiert, dass meine Tochter das nicht sehen möchte und sich in dem Moment aus dem Blickfeld entfernt. Das hat mich sehr beeindruckt, da ich zu diesem Zeitpunkt eine ganz neue Patientin war und sie uns noch gar nicht richtig kannte.

 

Die wirklich wichtigsten Menschen während der Chemo-Therapie sind freilich die Onkologie-Schwestern, sie sind die wahrhaft guten Geister! Jetzt muss ich aufpassen, dass ich nur keine vergesse, denn jede einzelne von Ihnen hat mich sagenhaft gut betreut. Frau Khatun Dakhli, die sich als erstes meinen Namen gemerkt hat, mir ungezählte Male Blut abgenommen, wirklich für jede meiner Pipi-Pausen Verständnis hatte und so eine unbeschreiblich liebevolle Ausstrahlung hat. Frau Anita Günther, die mir manches Mal mit ihrem riesigen Erfahrungsschatz Mut zugesprochen hat, Frau Sabine Schmidt-Rabenstein, ihre fröhlich aufmunternde Art ist beeindruckend, sie muss man einfach gern haben und Frau Maike Hormann, welche mit ihrer aufmerksamen und unglaublich sensiblen Art, jede Stimmung aufspürt und mit einfühlsamen Worten begleitet. Ich danke Ihnen allen ganz herzlich für die persönliche und liebevolle Betreuung, Frau Dakhli, Frau Günther, Frau Schmidt-Rabenstein und Frau Hormann.

   
Die Art und Weise, wie die Menschen hier mit uns Brustkrebspatientinnen umgehen, nimmt ganz viel von der Angst weg. Dadurch sind die Chemotage keine schlimmen Tage, zumindest der Teil in der Praxis nicht. Die ganze Atmosphäre ist geprägt durch die fröhliche und fürsorgliche Art der Menschen hier. Es ist nie hektisch, sondern alle strahlen eine beruhigend wirkende Gelassenheit aus, in der man sich ganz im Mittelpunkt fühlt. Man wird angepickst, angeschlossen, abgestöpselt, hat Wartezeiten, Pipipausen, kleine Kaffee- und Teeaufmunterer, wird mit Decken und Kissen versorgt, bekommt Eisstücke zum Lutschen und Eispakete für Hände und Füße, Kissen drunter, Decken drüber, Fenster auf und Fenster zu, und nebenbei wird mit unendlicher Geduld jede noch so kleine oder große Frage liebevoll und professionell beantwortet! Zudem ist es außerdem so, dass die Mitarbeiter sich auch mit den Familienangehörigen auskennen, es wird nach der Tochter oder dem Sohn gefragt, ob es der Mama wieder besser geht und ob die Oma aus dem Urlaub zurück ist – wie unglaublich toll sind diese Menschen!
 


Danke an die Praxis und ihre Mitarbeiter, dass Sie mich so professionell und emphatisch begleitet haben!

Dienstag, 7. April 2015

Meine letzte Chemo



Am Gründonnerstag war es soweit, der lang ersehnt Tag nach sechs Monaten war endlich da, der Tag der letzten Chemo mit Epirubicin und Cyclophosphamid. Morgens war es noch ein bisschen unsicher, da meine Blutwerte schon wieder nicht ganz ok waren – es nervt mittlerweile. Der kleine Feigling in mir, hat doch tatsächlich ganz leise gehofft, dass sie verschoben wird, im letzten Moment wollte da fast jemand kneifen. Aber nach dem Telefonat um 7.15 Uhr gab’s grünes Licht (wollte ich doch auch)!  

  


Mein letzter Beutel Epirubicin – tirililiiii 


Mein erster Nach-Chemo-Tag geht irgendwie rum, es ist Karfreitag und jeder verbringt seinen Tag für sich, alles läuft gefühlt im Zeitlupentempo. Es ist das letzte Wochenende, bevor Sina nach Thailand fliegt, sie sortiert ihre Sachen und ist gedanklich schon weit weg. Ich habe am Samstag Geburtstag und freue mich, dass ich die Chemo hinter mir habe.

Jetzt habe ich nochmal zwei harte Wochen mit Nebenwirkungen vor mir, ich bin überhaupt nicht begeistert, aber ich werde das tapfer und stoisch durchstehen.

Mein Geburtstag ist sehr schön, meine Eltern und meine Schwester kommen zum Kaffee und Kuchen. Es gibt Eierlikörtorte (von mir), Johannisbeersahnetorte (von meiner Mama) und eine französische Apfeltarte (von Valerie – eine liebe Freundin von Sina). Wir klönen lange und es ist sehr schön, eigentlich hätten wir bei mir noch Abendbrot essen können, aber ich kann leider überhaupt keine Essensgerüche vertragen… und ich habe auch nichts vorbereitet.

Abends hocken wir zu dritt zusammen und essen Spinatpizza, die geht gerade immer!


Der Ostersonntag ist entspannt und Ostermontag fliegt Sina über Amsterdam und Bangkok nach Phuket. 
  

Am Dienstag hole ich mir meine Neupogenspritze ab. Es ist 14.00 Uhr und ich merke, was ich für ein Schisser bis, ich zögere das bis zur letzten Minute raus. Aber danach habe ich totale Lust auf Kartoffelsalat! Ich habe zugegebenermaßen noch nie Kartoffelsalat selbst gemacht, meine Mama macht den allerbesten und so werde ich in regelmäßigen Abständen gut versorgt. Aber heute natürlich nicht, konnte ja auch keiner ahnen! Ich gehe schnell im Supermarkt vorbei, aber der Blick auf die Inhaltsstoffe lässt mich schaudern, das will doch keiner!




Also bereite ich einen blitzschnellen superleckeren Kartoffelsalat zu, so schwer kann es ja nicht sein. Und da er wirklich sehr lecker war, hier gleich das Rezept:

Wasserkocher
Kartoffeln
Kartoffelscheiben

Soße:
1 Teelöffel Essig
Salz
Pfeffer
Chili getrocknet

3 kleine Gewürzgurken
¼ Apfel
5 Cocktailtomaten

gekochte Kartoffeln
1 Crème fraîche

anmachen
schälen und Scheiben schneiden
salzen und kochen



Gewürze verrühren





kleinschnippeln, vermischen




unterrühren
eine Zeitlang durchziehen lassen
mit frischer Petersilie oder Kresse bestreuen

Dazu gibt es noch einen frischen Gurkensalat und schon sind wir beide glücklich und gut gesättigt.

Am späten Nachmittag kommt dann doch noch der Müdigkeitsanfall und ich schlafe erstmal eine Stunde.