Letzte Woche Donnerstag war ein richtiger Glückstag, denn
mit Beginn meiner ersten Nachsorge bin ich offiziell mit meiner Krebstherapie
durch!
Keine Chemo und keine Bestrahlung mehr und die ewigen
Arzttermine haben für die nächsten drei Monate Pause.
Jetzt beginnt Teil zwei, jetzt beginnt die Überlebensphase. Aber
vorher möchte ich ein bisschen zurücksehen und erzählen, wie ich dieses Jahr
empfand.
Es fing vor genau einem Jahr an, ich hatte einen Termin bei
meiner Gynäkologin, da ich einen kleinen Knubbel in meiner Brust entdeckt
hatte. Das Ultraschall-Ergebnis war nicht eindeutig, so dass ich am 20. August
eine Mammographie machen ließ. Auch hier war es nicht ganz eindeutig, so folgte
eine Biopsie und Ende August erhielt ich die Diagnose Brustkrebs. Am 8.
September wurde die Diagnose auf Triple negativ verifiziert.
Danach kam das übliche Prozedere an Terminen bis am 8.
Oktober die Chemo-Therapie begann. Nach genau einem halben Jahr hatte ich das
überstanden und Anfang Mai wurde der Tumor neoadjuvant herausoperiert.
Allerdings zeigte der histologische Befund noch Tumorzellen, so dass die in
einem zweiten Anlauf auch herausoperiert wurden.
Nach einer Erholungspause von zwei Wochen fing am 1. Juni
die sechswöchige Bestrahlung an. Am 9. Juli war auch dieser Schritt geschafft
und nun war am Donnerstag meine erste Nachsorge.
Alles in allen hat dieser Krebs ein Jahr gedauert, eine
richtig lange Zeit.
Wie war dieses Jahr mit etwas Abstand betrachtet?
Die erste Chemotherapie mit Paclitaxel (Taxol)
hat vier Monate gedauert und war recht gut erträglich, diese Zeit habe ich am
besten verkraftet. Am Anfang hat mich das Cortison ziemlich geschafft, aber als
das sukzessive weniger wurde, ging es mir wieder besser. Auch hatte ich zu
Beginn der Therapie massive Knochenschmerzen, die aber zum Ende hin deutlich
weniger wurden. Zum Schluss benötigte ich auch keine Schmerzmittel mehr, das
war ganz gut. In den ersten Monaten hatte ich noch große Kraftreserven, ich bin
ein Energiemensch, wenn alles normal und ich gesund bin, dann habe ich sehr
viel Energie und sprühe über vor Tatendrang und Lebensfreude.
Wie war mein Essverhalten zu dieser Zeit? Jetzt merke ich,
dass ich richtig nachdenken muss, um mich zu erinnern, obwohl es eigentlich
noch gar nicht lange her ist. In dieser Zeit habe ich noch alles gut vertragen.
Ich habe sehr viel Obst und Gemüse gegessen und extrem auf meine Ernährung
geachtet. Ich hatte so viele Geschichten gehört, dass die Frauen in dieser Zeit
sehr viel zunehmen und so war ich unwahrscheinlich diszipliniert. Gerade weil
ich anfangs sehr viel Cortison bekam, hatte ich richtig Angst davor zuzunehmen.
Vor Weihnachten sind wir dann noch umgezogen, im Nachhinein
kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, wie ich das geschafft habe. Ich habe
alle Kartons gepackt, alles abgebaut und in der neuen Wohnung alles wieder
eingeräumt, aufgebaut, angebohrt, angeschraubt, angeschlossen und eingerichtet…
Nicht Mara, die Krebskranke, sondern Gimli, der Kampfzwerg!
Richtig anstrengend fand ich den zweiten Teil mit Epirubicin
und Cyclophosphamid. Hier habe ich täglich gespürt, wie mich meine Kraft
verließ. Mir war die gesamte Zeit immer übel, so dass ich permanent das Gefühl
hatte, mich übergeben zu müssen. Außerdem habe ich sehr schlecht geschlafen,
manchmal nur drei bis vier Stunden in der Nacht. In Folge dessen, war ich
unglaublich müde, konnte aber überhaupt nicht schlafen. Durch das Neupogen litt
ich wieder unter starken Knochenschmerzen und hab zum Schluss wirklich die Tage
gezählt, bis es endlich vorbei war.
In dieser Chemo-Phase hat sich mein Appetit grundlegend verändert.
Obwohl mir ständig schlecht war und ich ziemlich viel gegen die Übelkeit
genommen hatte, hatte ich seltsame Gelüste bzw. für mich atypische Unlüste.
Besonders Käse hatte es mir angetan. Ich bin sonst nur ein
sporadischer Käse-Esser, aber in der Zeit wurde es extrem. Camenbert, Chaumes,
Mozzarella-Sticks (ich esse sonst nie Fertigessen!), mit Käse überbackenes Gemüse, Brot mit getrockneten
Tomaten mit Grana Padano überbacken, gebratener Schafskäse, usw. Ich hatte
ziemlich viel Phantasie, was meinen Käsekonsum betraf! Ich hatte keine große
Lust zu kochen und Jona hat sich Gott sei Dank meinen Mozzarella-Sticks-Süchten
klaglos angeschlossen. Mittlerweile können wir sie aber beide nicht mehr essen,
wahrscheinlich nie wieder! Die Käselust war dann irgendwann vorbei, vielleicht
im Mai bis Ende Mai, es hielt also noch eine Zeit lang an.
Aber insgesamt hatte sich mein Geschmack verändert, vorher
habe ich Tomaten geliebt, in jeder
Variation, und auf einmal waren sie mir zu sauer. Wiederum habe ich mit Wonne
jede Menge frisch gepressten Zitronensaft in mein Wasser gefüllt. Diese
Geschmacksverirrung kann man gar nicht verstehen.
Jetzt normalisiert sich mein Essverhalten wieder und meine
Gelüste sind so gut wie weg. Ratatouille kann ich aber immer noch nicht essen,
es schmeckt mir entschieden zu säuerlich, also irgendwas ist da noch nicht ganz
in Ordnung.
Wenn sich der
Geschmacksinn verändert, dann ist immer auch der Geruchsinn betroffen, die
beiden sind genussentscheidend. Schon ab der ersten Chemo hatte sich mein
Geruchsinn stark sensibilisiert. Ich bin auch jetzt noch furchtbar empfindlich,
was die verschiedenen Gerüche betrifft und noch immer zieht sich mein Magen
gekränkt zusammen, wenn ich durch eine größere Menschenmenge laufe oder wenn
sich etwas anderes feindselig in meine Nase verirrt!
Als die Chemo-Zeit endlich
vorbei war, hab ich wirklich drei Kreuze gemacht. Schlimm waren vor allen die
Nächte, am Tage konnte ich mich sehr gut ablenken und hatte immer alles
Mögliche zu tun. Aber nachts bin hier herumgeschlichen wie eine uralte Frau,
gebückt, mit Knochenschmerzen, Übelkeit, Schlafstörungen, Angstgefühlen und
einer unglaublichen Schlappheit.
Die Krankenhauszeit ging gut rum, das habe ich einfach
ausgehalten, das Schlimmste war die Verdrahtung der Clip-Markierung, sonst war
es ganz gut (wie Krankenhäuser halt so sind).
Die Bestrahlungszeit war im Prinzip auch gut. Ich habe mich
in der Praxis sehr gut betreut gefühlt. Die MTA’s waren unglaublich freundlich
und fürsorglich und die Betreuung war richtig persönlich, ich würde dort immer
wieder gerne hingehen.
Meine Brust sah bis zum Schluss recht gut aus, sie wurde
erst in der letzten Woche richtig rot, aber auch hier war es noch zum
Aushalten. Ich habe meine Brust mit Bepanthen-Lotion gecremt, wie vorgeschlagen
und war damit sehr zufrieden. Jetzt ist es eine Woche her und ich spüre fast
keinen Schmerz mehr. Am Donnerstag war die letzte Bestrahlung und am Dienstag
tat es schon nicht mehr so stark weh. Die Haut ist noch empfindlich, die Brust
sieht bräunlich aus und fühlt sich an, wie nach einem starken Sonnenbrand. Ich
warte nun darauf, dass sich die Haut pellt und die weiche neue Haut nachkommt.
Während der Bestrahlungswochen ging es mir im Großen und
Ganzen gut. Ich hatte häufiger latente Kopfschmerzen und habe mich oft ziemlich
geschafft und erschöpft gefühlt. Allerdings habe ich auch schon festgestellt,
dass sich mein Schlafverhalten wieder zum Positiven verändert, meine Träume
kommen zurück und ich schlafe zunehmend besser.
Richtig unangenehm waren und sind meine tränenden Augen. Ich habe
gehofft, dass sich das mit der zweiten Chemo wieder verändert, aber leider ist
das noch schlimmer geworden. Nach der Chemo ist es viel besser geworden, allerdings
ist die extreme Windempfindlichkeit bisher noch geblieben. Ich trage grundsätzlich
eine kleine Bepanthen-Augen-Salbe bei mir, damit ich die Augen zwischenzeitlich
eincreme, denn durch die Tränenwegwischerei wird die empfindliche Haut schnell
wund.
Meine Augen haben sich auch bezüglich der Sehstärke
verändert, ich habe Anfang August einen Termin beim Augenarzt. Ich kann sowohl
in der Nähe, aber auch in der Ferne viel schlechter sehen als vor der Therapie.
Jetzt ist dieser Abschnitt vorbei und es geht wieder
bergauf, meine Kraft kommt ganz langsam wieder und ich kann wieder denken. Es
war ein außergewöhnliches Jahr, es fühlte sich nicht sehr lebendig an, ich habe
kein Stück im Jetzt gelebt, sondern eher in der Zukunft. Auf der einen Seite
das Gefühl, wie gut dass ich noch lebe, ich möchte meine Zeit genießen und auf
der anderen Seite, die Hoffnung auf die Zukunft, dass endlich diese
Krebsgeschichte vorbei ist. Also eine Art Zwischenleben, das sich völlig
unnatürlich angefühlt hat.
Ich bin letztes Jahr im April 50 geworden und hatte mir
dieses Lebensjahr ganz anders vorgestellt. Meine Tochter hat vor einem Jahr Abi
gemacht und wollte in die Welt reisen, mein Mann plante unser großes
China-Abenteuer und ich hockte letztendlich als ein kleines chemogebeuteltes
krankes Häschen in Hannover!
Sina hat sich sofort entschlossen, ihre Reise um ein Jahr zu
verschieben, um bei mir zu sein. Klar ist sie zwischendurch gereist, aber so
haben wir uns das beide nicht vorgestellt und mittlerweile stellen wir fest,
dass man Zeit nicht nachholen kann. Die große Reise wurde verschoben, aber manche
Dinge kann man nicht nachholen. Die meisten fangen jetzt mit dem Studium an und
Sina ist an einem Punkt, an dem sie feststellt, dass auch sie ein nicht
gelebtes Jahr hinter sich hat. Es wird sich zeigen, wie sie sich entscheidet.
Mein Mann und Nico sind im November nach China ausgewandert
und haben dort für sich einen neuen Lebensabschnitt begonnen.
Jona ist mit mir und Sina hier geblieben und hat die 8. Klasse gerade beendet (endlich Sommerferien).
Ich freue mich jetzt auch auf China, Ende August geht es los. Die Flüge
für Jona und mich sind gebucht und die Reisevorbereitungen laufen auf
Hochtouren.
Sina wird für eine Zeit nach Amsterdam ziehen und von dort aus ihr Leben neu sortieren.
Wir haben noch genau vier Wochen, diese Zeit werde ich sehr gut nutzen.
Gestern waren Sina und ich für einen Tag in Hamburg und haben die schöne Stadt bei sehr guten Wetter genossen:
im Metronom von Hannover nach Hamburg:
nach der Shoppingtour mit einem Eis an der Alster:
Cappuccino:
Glücksmomente an der Alster:
neue Bücher:
Ofenkartoffel und Salat für uns:
ein Doc Martens Fahrrad <3